Clown sein: Die rote Nase verwandelt die Welt

Während ich bei Sonnenschein im ICE in den Süden fahre, möchte ich Dir von meinem letzten Abenteuer erzählen: von einem Kurztrip zu mir selbst. Ich habe am Wochenende zum ersten Mal an einem Clown-Workshop teilgenommen.

Clown sein

Clown-Ausbildung im Humorkolleg.
Foto: S. Engelke

Mit roter Nase

Zwei Tage mit einer roten Nase. Mein Ziel: ein Industriegebiet am Rande von Paderborn. Ich parke vor einer gläsernen Front eines langgezogenen Firmengebäudes und betrete einen großen, lichten leeren Raum mit einer grauen Küche an seinem rechten Ende.

Treffpunkt für Künstler

Eine ehemalige KFZ-Werkstatt, heute Firmensitz einer Maschinenfabrik. Unser Raum ist von Montag bis Freitag ihre stylische Firmenkantine. Am Wochenende Bühne, Theatersaal und Treffpunkt für angehende Künstler und Künstlerinnen.

Humorkolleg in Paderborn

Hier trudeln nach und nach 14 Menschen ein. Zwölf Frauen, zwei Männer. Trainerin Anne Schwede begrüßt alle mit einem herzlichen Hallo. Sie ist Chefin und Seele des Humorkollegs in Paderborn. Ausbildungsschmiede für Schul- und Klinikclowns.

Erstes Kennenlernen

Die Menschen, sie kennen sich nicht. Mit einer Ausnahme. Ich treffe auf einen alten Schulfreund aus Bünde, den ich seit mindestens 30 Jahren nicht mehr gesehen habe.

Clownsein

Bühne frei: Theatersaal auf Zeit.
Foto: S. Engelke

Der Samstagvormittag gehört dem Kennenlernen. Bei 14 TeilnehmerInnen, sich alle Namen zu merken – eine Herausforderung. Wir lernen spielerisch. Mit dabei u.a. der humpelnde Hendrik, die sprunghafte Sonja, die blumige Britta und die niedliche Nicole. Die Verbindung mit einem Attribut macht es uns leichter, sich die Namen einzuprägen.

Geschichten erzählen

Wenig später geht’s schon ab auf die Bühne. Zuvor haben wir in einer Partner-Übung von unserem Leben erzählt. Jetzt sind gefordert, die Geschichte unseres Partners wiederzugeben. Es darf geschummelt werden! Mir werden zwei Kinder extra angedichtet, meine Partnerin nennt einen riesigen Rottweiler ihr Eigen.

Zeit für die rote Nase

Rote Nasen

Nach der Mittagspause wird es feierlich. Es ist Zeit für die rote Nase. Anne Schwede fertigt sie selbst in ihrer Nasenwerkstatt an, sie hat vor vielen Jahren mal beim Zahnarzt gearbeitet und kann gut mit Gips modellieren.

Die rote Nase ist für einen Clown nicht nur ein bloßes Accessoires, das im Gesicht thront. Sie ist Identität. Sie ist Symbol. Sie ist Gefühl.

Wohliges Gefühl von Gemeinschaft

In einem gemeinsamen Ritual lernen wir, die Nase richtig aufzusetzen: das Gummi über die Ohren führen und unter den Haaren verbergen. Sie muss gut sitzen, wie ein neues Organ.

Mich umgibt ein wohliges Gefühl von Gemeinschaft und Wertschätzung. Wir, die mit der roten Nase!

Wir erforschen allein den Raum. Jeder und jede für sich schaut sich neugierig um, erkennt plötzlich Kleinigkeiten, die einem vorher nicht aufgefallen waren.

Alles wird leichter

Die rote Nase verwandelt die Welt. Sie macht sie – ich hätte bald gesagt - gründlicher. Auf jeden Fall verliert die Welt ihren Druck, ihren Krampf. Alles wird leichter, nicht oberflächlicher. Im Gegenteil: Die Nase macht bewusster.

Später erzählen wir, was wir auf unserer Reise durch den Raum entdeckt haben: endlos viele Linien, tierische Gestalten, die plötzlich aus dem Boden springen, Holzmaserungen, die wie Bergrücken anmuten.

Es ist die Bewusstheit, die guttut.

Der zweite Tag

Der zweite Tag ist emotional. Schon auf der Hinfahrt beschleicht mich eine leichte Melancholie. Als wir im Kreis den Samstag resümieren, laufen die ersten Tränen. Einfach sein zu dürfen, das spielerisch Kindliche in uns zu entdecken, löst etwas in uns.

Echte Gefühle zeigen, wann erlauben wir uns das schon mal. Nach einer kurzen Runde geht es wieder in die Bewegung. Wichtig ist, im Hier und Jetzt anzukommen. Zeit für mich zu haben. Die Gruppe harmoniert. Wir kommen schnell wieder ins Spiel. Die Zeit verfliegt. Heute geht es um Führen und Geführt werden. Was fällt mir leicht?

Fünf Stunden am Sonntag sind schnell vergangen. Leicht und beschwingt trete ich den Nachhause-Weg an. Mit meiner roten Nase im Gepäck. Vielleicht sollten wir öfter mal die rote Nase tragen, um achtsamer, bewusster und vor allem mit mehr Humor durchs Leben zu gehen.

WAS ICH DIR MITGEBEN MÖCHTE

  1. Im Clowns- bzw. Improvisationstheater sind Fehler ausdrücklich erlaubt! Was wäre, wenn Du jeden Fehler plötzlich mit einem Jubel annimmst, Dich drüber freust? Probiere es einfach mal aus. Scheitern gehört zum Leben dazu.

  2. Setz Dir öfter mal eine rote Nase auf und betrachte Dein Umfeld bewusst und mit Humor. Das hilft!

  3. “Hier bin ich"!” Fällt Dir das leicht, einfach mal in die Mitte eines Raumes zu springen und laut zu rufen: “Hier bin ich”!? Du darfst Dich sehen! Begegne Dir mit Wohlwollen und Zuneigung.

  4. Spielen erlaubt. Wann warst Du das letzte Mal richtig ausgelassen, hast Tränen gelacht und warst einfach nur da? Erlaube Dir, wieder durchs Leben zu tanzen. Lachen, Tanzen und Bewegen befreit und ist gesund.

  5. Zu guter Letzt: Achte bewusst darauf, andere Menschen nicht ständig durch die Bewertungsbrille zu sehen. Ja, ich weiß, das ist die Königsdiziplin! Wir sind ständig in der Bewertung. Alles müssen wir kritisieren, optimieren, degradieren.

    Was wäre, wenn einfach alles gut so ist wie es ist?!

 

BEWEG DICH, DANN BEWEGT SICH WAS!

 
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Rückblick Februar 2023: Mutig weitergehen

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